Ich liebe Clubhouse - aber es muss sich noch viel ändern
Seit kurzem ist auch die App Clubhouse in Deutschland verfügbar. Viele Freunde und Bekannte aus Marketing, Vertrieb und PR habe ich hier in den letzten Tagen getroffen. Ist der Hype um diese neue App und Plattform berechtigt? Dies möchte ich in einer kleinen Zusammenfassung zur Diskussion stellen.
Was macht die App so besonders?
Die Authentizität und Unschuldigkeit, mit der in Clubhouse miteinander gesprochen wird, ist wirklich phänomenal.
Geplant oder spontan treffen sich einige Bekannte in einem Raum. Entweder sind die Personen von sich aus interessant, das Thema ist relevant oder auch einfach nur so. Plötzlich gesellen sich weitere Personen hinzu. Es kann durchaus sein, dass auf einmal ein bekannter Fußballprofi, hochrangiger Politiker oder Marketing Professionals zu einem Talk dazustossen.
Da kommt es vor, dass ein Minister ebenfalls davon etwas mitbekommt, sich dann mit „ich bin Hubertus“ vorstellt und die Impfstrategie der Bundesregierung erklärt. Diese Nähe hätte ich vorher niemals für möglich gehalten. Genau das ist passiert vor einigen Tagen in der App „Clubhouse“, die seit Mitte Januar 2021 aus den USA nun auch nach Deutschland gekommen ist. Sie funktioniert rein mit Audio, kein Video, und ist immer live. Ich habe mich in den letzten Tagen dabei erwischt, entweder wenn ich im Auto gesessen habe, mit meinem Hund Gassi gegangen bin oder einfach nur so Clubhouse an und entweder aktiv oder passiv an interessanten Gesprächen teilnehmen. Ohne vor einem Bildschirm sitzen oder ihn halten zu müssen, kann jeder mit freien Händen beim Geschehen dabei sein, mit dem “second ear” sozusagen.
Und hier liegt bereits eine Gefahr: Das gesprochene Wort ist schnell und unkontrolliert einmal gesagt und hat auch oftmals ein großes Publikum erreicht. Die Vertrautheit verleitet einen schnell, ggf. auch mal missverständlich zu sein oder Vertrauliches zu schnell zu äußern. So wie es dem Ministerpräsidenten Bodo Ramelow passiert ist. Da teilt er mit, dass er bei wichtigen Sitzungen lieber Candy Crush spielt und wie sie intern die Kanzlerin nennen. Der unbedarfte Gedanke, dass man die Meinung oder Worte nicht so auf die Goldwaage legen muss, kam dann in den Tagen darauf in den anderen sozialen Kanälen per Shitstorm zurück.
Die Kritik, dass die App bisher nur im Apple-Universum über iPhones und iPads verfügbar ist, ist natürlich dem Beta-Stadium der App geschuldet. Aber es ist bereits angekündigt, dass Clubhouse in Kürze auch für die Android Welt zur Verfügung stehen wird. Hier sollte immer mit berücksichtigt werden, dass zum Beispiel Facebook auch erst ganz klein angefangen hat und mittlerweile zum größten sozialen Netzwerk geworden ist. Also steckt auch hier noch viel Potenzial.
Podcasts funktionieren vergleichsweise wie eine Einbahnstraße. Die Interaktion von Podcastersteller und Zuhörer ist aber deutlich eingeschränkt. Diese Grenzen verwischen bei Clubhouse, indem Content Creator und -konsument live aufeinandertreffen und zusammen über ein Thema diskutieren.
Es gibt also Moderatoren, die ein Thema festlegen und Speaker ernennen, die entweder von Anfang an dabei oder zunächst Zuhörer sind und dann in die Diskussion eingeladen werden, vorausgesetzt sie wollen was sagen. Jeder kann aber auch einfacher stiller Zuhörer sein, wie bei einem Podcast.
Filterblasen und ihre Gefahren
Die Thematik, dass soziale Medien so genannte Filterblasen bilden, ist natürlich auch hier gegeben. Du gehst in den Raum, in dem ein Thema behandelt wird, dass einem interessiert oder wo man Personen zu finden glaubt, die einem sympathisch sind.
Hier besteht dann auch in Zukunft die Gefahr, dass sich dort Gruppen treffen, die politisch oder gesellschaftlich bedenklich sind, ähnlich wie bei Telegram oder Facebook.
Gefährlicher ist dies natürlich in der Hinsicht zu sehen, dass es keine Aufzeichnungen darüber gibt, wer an welchen Gesprächen teilgenommen hat, oder was auch wirklich gesagt worden ist. Für Verschwörungstheoretiker und politische Randgruppen also in naher Zukunft sehr interessant. Hier gibt es bereits negative Erfahrungen aus den USA. Denn die Sprache lässt sich nicht so einfach dokumentieren, da ja nichts verschriftlicht oder aufgezeichnet ist. Außer ich lasse eine Aufnahme mitlaufen.
Somit ist es wichtig, in der Zukunft sehr schnell Gesprächsrunden voller Verschwörungsmythen, Hass und Propaganda unterbinden zu können. Sobald Radikale sich bei Clubhouse breitmachen, müssen sie schnell auszublenden sein, damit diese erst gar keinen Spaß an dem neuen Medium finden.
Wir dürfen die Verantwortung aber nicht auf die Teilnehmer oder die Betreiber abwälzen. Wir brauchen in Clubhouse eine Struktur und Funktionalität, die Diversität und Respekt fördert und die nicht nur Werbegelder maximiert.
Das leidige Thema Datenschutz
Wie ich aus vielen Talks in den letzten Tagen gehört habe, ist den Teilnehmern zwar bewusst, dass der Datenschutz eine Problem ist, was noch nicht gelöst ist. Aber hier wird massiv drüber hinweg geblickt und den eigenen Spaß an der App will sich keiner mit diesen Bedenken schmälern. Ähnlich wie bei WhatsApp. Alle wissen, dass es hier große Probleme gibt, aber keiner wollte lange Zeit auf die App verzichten.
Wenn man ganz ehrlich ist, muss man sagen, dass die momentane Variante hochgradig illegal ist. Jeder der sich damit etwas beschäftigt wird bemerken, dass die AGBs nur auf Englisch vorhanden sind. Auch ein Impressum fehlt und schon beim Start wird das komplette Kontaktbuch des Handys abgefragt. Dies kennen wir ja bereits alle von WhatsApp. Selbst für den Laien wird es hier klar, es bestehen massive Verstöße gegen europäische Datenschutz-Gesetze.
Die einzelnen Datenschutz-Behörden verfolgen den Verstoß bereits und es ist damit zu rechnen, dass demnächst hohe Strafen auf die App Clubhouse zukommen.
Die Refinanzierung und Zukunft von Clubhouse
Noch ist es nicht erkennbar, wie sich die App in Zukunft sich finanzieren soll. In allen anderen Social Media-Kanälen kommt irgendwann entweder Werbung ins Spiel oder es wird die Variante über Spenden wie bei Wikipedia notwendig.
Also kurz zusammen gefasst: Wenn die Probleme mit dem Datenschutz gelöst sind und den Gefahren von Filterblasen und Hatespeech entschieden entgegen getreten wird, sehe ich für Clubhouse und diesem Format als Facebook für die Generation Earpod eine große Zukunft.
Auch Mitglieder aus dem Marketing Club Berlin und den Marketing Pionieren sind bereits bei Clubhouse sehr aktiv
Hier z.B. das Format „Fisch & Döner“ mit Tobias York: immer Donnerstag von 12.00 - 12.30 Uhr (so lange, wie Du brauchst, um ein gutes Fischbrötchen oder einen guten Döner zu essen) im Clubhouse.
Weitere Artikel zu Clubhouse:
Für mich auch interessant: die erste OMD Umfrage zu dem Thema, ob und wieviel Potenzial in Clubhouse steckt:
So viel Potenzial hat Clubhouse wirklich (HORIZONT vom 26.01.2021)
Interview bei OMR:
Wie zwei deutsche Digital-Nerds den aktuellen Clubhouse-Hype ins Rollen gebracht haben (OMR vom 26.01.2021)
Zusammenfassung bei der Zeitschrift absatzwirtschaft:
Was ist Clubhouse? Hintergründe zur Hype App (absatzwirschaft 18.01.2021)
Dieser Artikel steht auch auf www.marketingclubberlin.de und www.doil.eu
Tags: Social, marketing, Thorsten Doil, Online Marketing, Web-Marketing, Social Media, Cluhouse